Versicherungsombudsmann: Zur Nachahmung empfohlen

Versicherungsombudsmann: Zur Nachahmung empfohlen

Die Schlichtungsstelle der Assekuranz feierte in Berlin ihr zehnjähriges Bestehen

 „Das zehnjährige Jubiläum des Versicherungsombudsmann e.V. steht bereits seit zehn Jahren fest und kann nicht verschoben werden.“ So begründete Günter Hirsch, seit April 2008 Versicherungsombudsmann, seinen ausdrücklichen Wunsch, dass der Festakt stattfindet, obwohl er selbst aufgrund einer Erkrankung nicht erscheinen konnte. Seine Festrede erhielten die rund 180 Teilnehmer in der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin deshalb schriftlich. 
Beim Versicherungsrecht handele es sich um ein Rechtsgebiet, dem „juristische Ziselierungen und Kapriolen eigen sind“, die für einen Juristen eine echte Herausforderung darstellen, erklärt Hirsch darin. Sein Interesse weckte einst ein juristischer Fall aus den Vereinigten Staaten. Ein Rechtsanwalt forderte von seinem Feuerschaden-Versicherer eine Versicherungssumme in Höhe von 15 000 Dollar für das Abbrennen seiner 24 genüsslich gerauchten Havanna-Zigarren. Der Kunde bekam Recht, der Versicherer zahlte anstandslos und verklagte kurzerhand seinerseits den Kunden wegen 24-facher Brandstiftung. Das brachte diesem letztlich 24 Monate Haft auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 24 000 Dollar ein.

Der Ombudsmann sorgt für Waffengleichheit
Warum Hirsch sich 2008 für den Weg „vom Richter zum Schlichter“ entschied, begründet er damit, als Versicherungsombudsmann „an der Front der versicherungsrechtlichen Wirklichkeit“ zu stehen. Dabei bestehe die Aufgabe des Ombudsmanns aber nicht primär im Kampf ums Recht, sondern im Streben nach Gerechtigkeit. Der Ombudsmann habe „für Waffengleichheit zu sorgen“.
Dass Günter Hirsch und Wolfgang Römer, erster Ombudsmann und Vorgänger von Hirsch, das geschafft haben, stellte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner heraus. Der Versicherungsombudsmann als „Vorbild für effektiven Verbraucherschutz“ hätte erreicht, dass sich die Versicherungskunden gegenüber den Unternehmen heutzutage nicht mehr wie „David gegen Goliath“ fühlten. Mit viel Einfühlungsvermögen und Geschick sei es Hirsch und Römer gelungen, Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsfähigkeit zu erlangen. Letzteres spiegelt sich auch in der Erhöhung der Entscheidungsgrenze auf 10 000 Euro wider. Damit fallen 95 Prozent aller Beschwerden in die Entscheidungskompetenz des Ombudsmannes. Aigner betonte zudem, dass der Gang vor die Gerichte viele Kunden nach wie vor abschrecke. Mit der Einschaltung des Ombudsmanns „können die Kunden nur gewinnen“.

Private Streitschlichtung ergänzt staatliche Justizgewähr
Warum viele Versicherungsnehmer sich nur ungern auf einen Zivilprozess einlassen, machte Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, deutlich. Die Dauer eines Verwaltungsverfahrens betrage in Deutschland je nach Bundesland zwischen fünf und 20 Monaten. Ein Zivilgerichtsverfahren dauere durchschnittlich viereinhalb Monate, eine Revision vor dem Bundesfinanzhof schon 20 Monate. Als Grund macht Papier „zweifellos die personelle Unterausstattung der Gerichte“ aus. Eine effektive Möglichkeit, die Defizite in der Justizgewähr auszugleichen, seien private Initiativen der Streitschlichtung. Papier rief dazu auf, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips erst selbst nach Lösungen zu suchen, bevor der Staat auf den Plan gerufen werde. So könne dieser sich auf seine Reservefunktion zurückziehen und erst zum Einsatz kommen, wenn private Initiativen scheiterten. Die Einrichtung des Versicherungsombudsmanns sei dafür „ein leuchtendes und zur Nachahmung einladendes Beispiel“.
Aber was wäre eine Jubiläumsfeier ohne Rückblick zu den Anfängen? Und so gaben die Zeugen der ersten Stunde munter Einblicke in vergangene Zeiten. Vor der Gründung galt es, die Versicherer von der Idee zu überzeugen, beschrieb der frühere GDV-Präsident Bernd Michaels die damalige Situation. Das lag nicht zuletzt daran, dass viele Versicherer zu jener Zeit ein eigenes Beschwerdemanagement einrichteten. Deshalb herrschte das Gefühl vor: „So etwas brauchen wir nicht“. Mittlerweile gehört bis auf vereinzelte kleinere Versicherer der gesamte Markt dem Verein Versicherungsombudsmann an.

Zwei Mitarbeiter und körbeweise Beschwerden
Das Vertrauen der Verbraucher wurde maßgeblich durch die richterliche Unabhängigkeit und die Einbeziehung der Verbraucherschützer gewonnen. Wolfgang Römer sah Vertrauensaufbau immer als „Bringschuld“ und führte viele Gespräche, auch in der Öffentlichkeit. Seine Mühen wurden belohnt: Als die Schlichtungsstelle im Jahr 2000 ihre Arbeit aufnahm, gab es zwar erst zwei Mitarbeiter, dafür aber „körbeweise Beschwerden“, berichtete Römer. Besonders stolz ist Römer auf die Herausbildung eines eigenen Sprachstils. Da die Juristensprache sich für Kunden als ungeeignet erwies, entwickelte Römer eine auf jeden Kunden persönlich zugeschnittene Sprache. Seine Briefe würden bei Versicherern sogar teilweise als Vorlagen für Kundenanschreiben verwendet.

Rolf-Peter Hoenen wirbt für die Zukunft
In seinem Schlusswort bezeichnete Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft(GDV) und Mitglied des Vorstands Versicherungsombudsmann, sich selbst als „einen der jungen Wilden“, die sich von Beginn an für den Versicherungsombudsmann eingesetzt hätten. „Vielleicht stehen wir heute vor Größerem als vor zehn Jahren“, konstatierte er und stellte die Frage, wie viel sich die Branche an proaktivem Handeln zutraue. Hoenen warb dafür, „gute Standards“ weiter auszubauen. Bis hierhin hätten die Versicherungsombudsmänner mitsamt ihren Mitarbeitern jedenfalls einen „richtig guten Job gemacht“. sst

Quelle : Versicherungswirtschaft Heft 21 - 1. November 2011, www.vvw.de     
Text: Silvia Stillert