Was eine Police wirklich wert ist, erfährt man erst, wenn der Versicherungsfall eintritt. Mit etwas Pech erweist sich dann der Haftpflichtversicherer als nicht zuständig, der Rechtsschutz als Ausnahme, die Lebensversicherung als falsch berechnet und der Gebäudeversicherer als spitzfindig. Die Zahl der Konflikte zwischen Versicherern und Kunden ist endlos.
Auf in den Kampf
Manchmal hilft es schon, wenn der Kunde seiner Versicherung klar macht, dass er sich nichts gefallen lassen will. Doch es ist eine Kunst, sich wirksam zu beschweren. Leicht bleibt man in den Fangnetzen der Hotlines hängen, zermürbt von leiernden Musikschleifen und überforderten Gesprächspartnern.
Ist auf dem Versicherungsschein oder anderen Unterlagen kein direkter Ansprechpartner zu finden, bedarf es oft einiger Hartnäckigkeit, um zu jemandem durchzudringen, der eine Entscheidung treffen kann. Ein ausführlicher Brief an die Geschäftsleitung kann hilfreich sein.
Was tun, wenn auch dies zu keinem befriedigenden Ergebnis führt? Nicht jeder traut sich, angesichts der gewaltigen juristischen Macht der Versicherer das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf sich zu nehmen.
Doch auch ohne Gericht gibt es zuweilen einen Richter – sein Name: Wolfgang Römer, sein Amt: Versicherungsombudsmann. Der Professor und ehemalige Richter am Bundesgerichtshof schlichtet, wenn Schaden-, Unfall- oder Lebensversicherungsunternehmen mit ihren Kunden streiten.
Bei ihm können Versicherungsnehmer offiziell Beschwerde einlegen. Und obwohl der Ombudsmann von den Versicherungsunternehmen finanziert wird, gilt er als neutral – bedingt durch die juristische Konstruktion und wohl auch wegen der Persönlichkeit Römers.
Immer erst zum Versicherer
Soll der Ombudsmann sich einer Sache annehmen, muss der Versicherungsnehmer zuvor seinen Anspruch beim Versicherer geltend gemacht haben – und damit gescheitert sein.
Die Verfahren beim Ombudsmann sind für die Antragsteller kostenlos. Seine Entscheidungen sind bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro für die Versicherungsunternehmen verbindlich. Bis zu einem Streitwert von 50.000 Euro kann er Empfehlungen abgeben, denen die Versicherer meist folgen.
Die privaten Krankenversicherer haben einen eigenen Ombudsmann, den Versicherungsjournalisten Arno Surminski. Er kann allerdings keine Entscheidungen treffen, die für die Versicherungsunternehmen verbindlich sind, sondern nur Empfehlungen aussprechen.
Noch Klagen?
Beschwerde einzulegen lohnt sich – Römer und seine Mitarbeiter akzeptieren 60 Prozent der Fälle als zulässig, und 36 Prozent der Beschwerden haben Erfolg.
In laufende Gerichtsverfahren mischt sich der Ombudsmann aber nicht ein. Auch nicht in Streitfälle, die bereits der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gemeldet sind.
Die Bafin ist eine weitere Stelle, die sich kostenlos um Beschwerden kümmert. Sie ist vor allem bei allgemeinen Missständen wie unlautere Geschäftspraktiken die richtige Adresse. Die Aufsicht kann dafür sorgen, dass das Unternehmen solche Praktiken einstellt. Die Entscheidungen des Ombudsmanns beziehen sich dagegen immer nur auf den Einzelfall.
Passt dem Kunden die Entscheidung des Ombudsmanns oder der Bafin nicht, kann er immer noch klagen. Zuvor sollte er aber die Chancen und Risken eines Prozesses gut abwägen.
FINANZtest Spezial, Ausgabe Versicherungen, November 2004, Seite 23