„Da steigt doch jeder aus“

Der Versicherungsombudsmann Wolfgang Römer über herzlose Briefe an Kunden und den Kostenvorteil von Kulanzangeboten

FOCUS: Herr Römer, wie können Sie als Schlichter zwischen Versicherungen und Kunden unabhängig sein, wenn Sie von den Unternehmen bezahlt werden?
Römer: Das klingt zunächst gar nicht selbstverständlich, aber es ist die Grundvoraussetzung für die öffentliche Anerkennung eines Ombudsmanns. Alle beteiligten Versicherungen haben diese Neutralität auch gewollt. An einer bloßen Feigenblattfunktion für eine Branche hätte ich selber kein Interesse.

FOCUS: Sie können Streitfälle bis 5000 Euro selbst entscheiden. Wollen die Versicherer das nicht verhindern?
Römer: Auf solche Versuche der Einflussnahme war ich vorbereitet, doch es hat sie seit meinem Start als Ombudsmann vor fast drei Jahren tatsächlich nicht gegeben. Außerdem dürften 5000 Euro wohl keine deutsche Versicherung ernstlich erschüttern. In Wirklichkeit spart der Ombudsmann allen Beteiligten Zeit und Kosten: Gerichtsverfahren dauern heute oft jahrelang, bei uns gibt es im Durchschnitt nach dreieinhalb Monaten eine Entscheidung oder zumindest eine Empfehlung.

FOCUS: Was nutzt das den Kunden?
Römer: Von den mehr als 10000 Beschwerden, die alljährlich bei mir eingehen, haben 36 Prozent Erfolg.

FOCUS: Und die anderen 64 Prozent der Kunden haben Pech?
Römer: Nein, aber in diesen Fällen haben die Versicherungskunden rein rechtlich gesehen keine Chance. Eine Frau beschwerte sich über die Lebensversicherung ihres Mannes, die nach seinem Tod nicht zahlen wollte, weil ihr Mann seine Alkoholsucht verschwiegen hatte. Jetzt muss sie ihr Haus verkaufen.

FOCUS: Und was schreiben Sie diesen Leuten dann: Tut mir Leid?
Römer: Mir ist es wichtig, dass die Kunden zunächst einmal nicht mehr diese herzlosen Antworten erhalten nach dem Motto „Sehr geehrte Frau XY, nach Paragraf 13  a der Allgemeinen Versicherungsbedingungen haben Sie keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung.“ Da steigt doch jeder aus. Ich möchte, dass wir Verständnis entwickeln für die schwierigen Situationen, in die die Leute – verschuldet oder nicht – geraten sind. Nehmen Sie nur die Kürzungen der Überschussbeteiligungen bei vielen privaten Renten- oder Kapitallebensversicherungen. Damit werden häufig ganze Lebensplanungen in Frage gestellt. Kein Wunder, dass sich immer noch so viele Kunden darüber bei mir beschweren.

FOCUS: Erfolglos, nehmen wir an?
Römer: Nicht immer. Wenn falsche Angaben über die Prognosen zur Ablaufleistung gemacht wurden oder Vertreter das Kürzungsrisiko kleingeredet haben, sehe ich einen Ansatzpunkt. Oft ist ein Kulanzangebot mit einer 20-prozentigen Auszahlung für Versicherer die günstigere Variante. Einen Neukunden zu finden ist meistens viel teurer.

Quelle: FOCUS, 12.07.2004, Heft 29, S. 143