Beschweren Sie sich ruhig!

Ombudsmann Wolfgang Römer schlichtet zwischen Versicherern und Versicherten
VON THOMAS RÖBKE

Die Versicherungen finanzieren eine Schiedsstelle, an die sich Kunden bei Problemen mit ihrer Assekuranz wenden können. Das klingt nicht besonders neutral – ist es aber. Dank Wolfgang Römer.

„Gerade mich zu fragen zeigt, dass sie es mit der Neutralität sehr ernst nehmen“, sagt der 67-Jährige, der an der Universität Tübingen Versicherungsrecht lehrt. „Ich bin pensioniert, ich muss das hier nicht machen.“ Bis vor zwei Jahren war Römer Richter am Bundesgerichtshof, „und die Rechtsprechung, an der ich mitgewirkt habe, fiel im Großen und Ganzen nicht zugunsten der Versicherungswirtschaft aus“. 265 Unternehmen mit einem Marktanteil von 95 Prozent haben sich darauf geeinigt, die Schiedssprüche von Wolfgang Römer zu akzeptieren – bis 5.000 Euro Streitwertverbindlich, bis 50.000 Euro als Empfehlung. Doch auch hier seien ihm die Versicherer „fast immer“ gefolgt, so Römer.

An den Versicherungsombudsmann kann sich jeder wenden, der erfolglos mit seiner Versicherung gestritten hat. Seit sie im Oktober 2001 gegründet wurde, trafen in der Stelle rund 18.000 Beschwerden und 2.000 Anfragen ein. Etwa 60 Prozent der Beschwerden sind zulässig, fallen also in Römers Zuständigkeitsbereich. Von diesen wiederum haben 36 Prozent Erfolg. Der ehemalige Richter ist Chef von 31 Angestellten, darunter neun Juristen und zwölf Versicherungskaufleute. Dass er sich seine Mitarbeiter persönlich aussucht, gehört zu seiner Neutralität: „So kann mir kein Versicherer jemanden reinsetzen. Und es wäre ein Ding der völligen Unmöglichkeit, wenn ich einen Mitarbeiter hätte, der immer knallhart gegen die Kunden entscheidet.“ Die Hauptaufgabe der Versicherungskaufleute ist, die Beschwerden vorzusortieren „und die richtigen Fragen zu stellen, damit wir die Beschwerde beantworten können“.

Die Menge der Eingaben wächst mit der Bekanntheit der Einrichtung. Die Zahl der Volljuristen wurde deswegen bereits von fünf auf neun erhöht. Römer hat die feste Zusage, dass das Personal bei Bedarf weiter aufgestockt wird. Von seinen Mitarbeitern erwartet er selbstständiges Denken, „ich kann niemanden mit Buchhaltermentalität gebrauchen“. Sie müssen hinreichend qualifiziert sein, um den juristischen Sachverhalt zu erfassen. Und ihn „in eine Sprache bringen, die ein normaler Mensch versteht“, betont Römer. „Das können die Juristen nach dem Studium alle nicht mehr. Sie müssen aber die Offenheit mitbringen, das wieder zu lernen. Das ist gar nicht einfach.“

Die zulässigen Eingaben führt mit 30 Prozent die Lebensversicherung an. Römer: „Das rührt von der Unsicherheit durch den Zusammenbruch der Mannheimer her und der Verminderung der Überschussbeteiligung allgemein.“ Hier hat Römers Team eher eine erklärende Aufgabe.

15,9 Prozent der Eingaben betreffen Rechtsschutzversicherungen, die die Kosten für die Gerichtsstreitigkeiten ihrer Kunden nicht übernehmen wollen. Häufig geht es um Kleinanleger, die sich falsch beraten fühlen.

Auf Platz drei bei den Eingaben liegt mit 12,7 Prozent die Unfallversicherung. Besonders hier stehen oft tragische Geschichten dahinter. Doch Römer hat genug Erfahrung aus seiner jahrelangen Richtertätigkeit, um „sehr gut auseinander zu halten, was rechtens ist und was einem leid tun kann“. Würde er danach entscheiden, was ihm leid tue, „hätten wir das, was wir in unserer Rechtskultur nicht haben wollen: die größte Unsicherheit. Denn Ihnen tut etwas anderes leid als mir.“ Allerdings haben Wolfgang Römer und seine juristischen Mitarbeiter „bei der Anwendung des Rechts einen gewissen Wertungsspielraum“.

Und den nutzt er schon mal zugunsten des Betroffenen. Hat jemand die Frist versäumt, in der er einen Unfall hätte melden müssen, fragt der Ombudsmann nach den Gründen. „Wenn er einfach nicht daran gedacht hat, kann ich ihm auch nicht helfen. Steckt dahinter aber ein langer Krankenhausaufenthalt, vielleicht verbunden mit weiteren persönlichen Problemen, kann die Fristversäumung unter Umständen entschuldigt sein.“ Wolfgang Römers Leitlinie: „Mit dem Recht mit Augenmaß umgehen. Dann kann ich auch beruhigt nach Hause gehen.“

Beschwerden können schriftlich, telefonisch oder per E-Mail eingereicht werden beim: Versicherungsombudsmann e. V., Postfach 080 632. 10006 Berlin, Tel. 01804/224424. Fax 01804/ 224425 (24 Cent/Anruf),
www.versicherungsombudsmann.de

Quelle: DIE ZEIT, 4.12.2003